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MUNA: Lebendig bleiben
Die Electro-Indieband MUNA wurde durch ihre Single I Know A Place bekannt, mit der das Trio aus Naomi McPherson, Katie Gavin und Josette Maskin 2016 in den Billboard Adult Pop Top 40 landete. Der melancholische, hook-basierte Synth-Pop MUNAs wird von emotional geradlinigen Repräsentationen queerer Geschichten getragen und bewegt sich jenseits bekannter Rezepturen des Mainstream-Pop. Mit About U und Saves the World, beide auf dem Label-Giganten RCA erschienen, veröffentlichte die Band aus L.A. innerhalb von drei Jahren zwei von der Kritik gelobte Alben.
Durch die Pandemie konnte die Band 2020 ihre Verkaufsquoten nicht mehr einhalten. Die physische Distanz voneinander und das Fehlen eines Labels ließen die Tage der Touren mit Harry Styles und Auftritte bei Jimmy Fallon in ferne Vergangenheit rücken. Nach einer Reevaluierungsphase entschied die Band schließlich: keine Kompromisse mehr. Mit MUNA, ihrem dritten Album, sollte die Band noch größer und noch besser zurückkommen – bei der Produktion des Albums musste das Trio mangels großer Budgets jedoch ganz auf Ableton Live bauen. Wir haben mit der Produzentin und Gitarristin McPherson über die Reise und Neugeburt der Band gesprochen.
War euer Plan von Anfang an, elektronischen Pop zu machen, oder war das ein Ergebnis früher Experimente in eurer Dreier-Konstellation?
Ich komme aus einer ziemlich musikalischen Familie, daher hatte ich ein bisschen Wissen übers Aufnehmen und Erfahrung im Spielen von Instrumenten, aber ich hatte keine Ahnung, wie man elektronische Musik produziert. Der anfängliche Plan war, dass Jo und ich zusammen Gitarre spielen, was jetzt nicht die beste Idee war, aber sie war fasziniert davon, dass ich ausschließlich in alternativen Stimmungen spielen konnte und dachte sich, zusammen haben wir bestimmt Spaß. Katie war dann die, die uns alle zur elektronischen Musik bekehrt hat. Sie hat sicher nichts dagegen, wenn ich das so sage, aber sie hat sich selbst eingeladen, mit uns zu spielen, und hat schon seit der High School mit Ableton experimentiert.
Hat Katie dir das Handwerk beigebracht oder hattest du schon die Software schon selber gelernt?
Katie hatte Ableton 8 und hat mir das ein bisschen beigebracht. Dann sind wir für einen Sommer alle nach New York gezogen, um Praktika zu machen und zusammen an Musik zu arbeiten. Ich hatte in der Schule mit Sony Acid Pro gearbeitet und habe Audio zerschnitten und Drum-Parts gemacht. Auch wenn ich keine besonders gute Drummerin bin, programmiere ich richtig gerne Drums. In diesem Sommer habe ich mich richtig in Ableton reingefuchst und wurde total süchtig nach der Produktion und dem Programmieren von Musik. Ich habe am Computer das Ruder übernommen, und so ist es seitdem auch geblieben.
Als ihr euer Debütalbum About U geschrieben habt, fandet ihr es da herausfordernd, Popmusik auf dem Produktionsniveau eurer Peers zu machen?
Wir haben einfach versucht, alles so gut wie möglich zu machen, und wurden von Label und A&R sehr dazu ermutigt, Musik weiterhin auf unsere eigene Art zu machen. Wir haben die Freund:innen gezeigt, die in Produktion besser waren als wir, und haben geschaut, was sie dazu sagen. Brian Jones aus der Band Paramore hatte immer ein gutes Ohr für uns. Damals habe ich einfach versucht, mit vielen Stock-Synths einen gigantischen Sound nachzubauen, und mag immer noch die Herausforderung hinter dieser Arbeitsweise. Riesige Pools an Tools mag ich gar nicht so gern; es ist kreativ fruchtbarer, im Kleinen zu arbeiten und so dann große Sounds zu entwickeln.
Als die Pandemie reinknallte, wurdet ihr von RCA fallengelassen. Das muss bei euch ein enormes Unsicherheitsgefühl ausgelöst haben, zusätzlich zu dem, was ihr damals eh schon gefühlt habt?
Vor der Pandemie war uns klar, dass wir nicht mehr in der Lage sein würden, selbst zu produzieren, da der große kommerziellen Erfolg bis dahin ausgeblieben war. Deshalb waren wir unsicher und haben mit Sorge auf das geblickt, was auf uns zukommen würde. Als es dann passierte, waren wir traurig. Es war aber auch erleichternd, zu wissen, dass wir Sachen ja trotzdem auf unsere Art machen können, und dass wir keinen Druck hatten, schnell irgendwas zu veröffentlichen. Saves the World, unser zweites Album, kam im September 2019 raus, und schon Anfang 2020 sagte man uns, dass wir wieder ins Studio gehen müssen, um mehr Musik zu machen. Das ist nicht die Art, wie wir kreativ am besten funktionieren – wir bevorzugen lange Schreibphasen, gefolgt von einem intensiven Bearbeitungsprozess.
Hättet ihr auch eingewilligt, mit einem:einer Produzent:in zu arbeiten, wenn ihr dazu gezwungen gewesen wärt?
Hätten wir wahrscheinlich, und immer, wenn ich mit Leuten in einem Raum war, habe ich viel gelernt, also ist Kollaboration für mich nichts negativ behaftetes. Es bringt halt immer eine bestimmte Persönlichkeit mit in das rein, was wir machen. Wir haben das zweite Album mit Mike Crossey ko-produziert, den ich liebe und von dem ich so viel gelernt habe, was ich für nichts in der Welt eintauschen würde. Ein zersplitterterer Prozess würde uns aber auf jeden Fall in Identitätsprobleme bringen. Letzten Endes brauchen wir die kreative Kontrolle, damit wir uns wie eine Band fühlen.
Habt ihr euch mal gefragt, ob ihr euren Sound verändern solltet, um die Art von Hits abzuliefern die man von einer Popband oder einem Poplabel erwartet?
Mike hat uns weiter in dem Glauben bestärkt, dass ein bestimmter Sound nicht mehr der Art entspricht, wie die Leute heute Musik hören. Wir hatten Angst vor dieser Radio-Homogenität, deshalb kam das für uns nie wirklich in Frage, auch wenn die finanzielle Stabilität gegen die Ängste hätte helfen können, die während Covid besonders präsent waren. Ich will damit keine andere Musikrichtung abwerten, weil ich Radiohits genauso mag wie alle anderen, aber ein gewisses Maß an künstlerischer Integrität ist uns ziemlich wichtig, und wir wären wahrscheinlich am Versuch, Mainstream-Erfolg zu haben, gescheitert. Ich muss Katie für ihre unglaublichen Songwriting-Fähigkeiten loben, weil sie den Raum für andere Interpretationsarten öffnet und dem, was wir machen, seine Farbe verleiht.
Gibt es irgendwelche Standard-Zutaten, die zu einem erfolgreichen Popsong gehören und die ihr im Kopf habt, wenn ihr produziert?
Ich verrate das ungern, weil ich dafür vielleicht Ärger bekomme, aber es gibt so kleine Tropen, auf denen ich manchmal baue, von denen ich aber denke, dass ich sie auch kritisch hinterfragt habe. Als ich mit dem Produzieren anfing, war ich Maximalistin, die alles erstmal raushaute. Mit der Zeit habe ich mich dann aber auch weiterentwickelt. Irgendwann entwickeln wir alle einen gewissen Geschmack in dem, was wir uns aussuchen. Am Anfang haben die Synthesizer eine so üppige Kulisse gebildet, dass da wenig Raum für Stille blieb. Mit der Zeit habe ich die Rolle der Stille in der Musik viel mehr zu schätzen gelernt, und das kommt nur mit der Reife.
Ihr seid ja zu dritt in der Band. Müssen Elemente des kreativen Prozesses da aufgeteilt werden?
Wir sind alle drei auf Produktion gepolt. Auf dem letzten Album gibt es bizarre Ausreißer, aber unsere traditionelle Arbeitsweise sieht so aus, dass ich achttaktige Loops oder Motive mache, die sich wiederholen, und Katie dann Dateien schicke, um zu sehen, was gut ankommt. Oder sie macht das Songwriting mit einer Akustikgitarre und Ableton und schickt Spuren, und wenn Jo und ich die gut finden, bitten wir direkt um eine Session und werden konkret. Wir schicken uns oft aktuelle Updates von Songs in unserem Gruppenchat hin und her und schicken uns gegenseitig Notizen, sodass der Part ziemlich formelhaft ist, bis ein Track fertig ist. Bei der späteren Arbeit bitte ich dann normalerweise höflich um etwas Zeit für mich allein, um am Bass und den Drums zu arbeiten. Das dauert in der Regel ein paar Tage. Denn wenn die digitale Rhythmussektion nicht ganz steht, weiß ich nicht, ob ich mit dem Arrangement weitermachen soll.
Habt ihr eine starke Vorstellung davon, wie ein spezieller Song klingen soll, oder sind das einfach Experimente ohne zu viel Fokus auf die Soundauswahl?
Wir haben da anfangs nicht wirklich starke Gefühle, aber oft sind wir uns einig, wie Sachen ungefähr klingen könnten, ohne überhaupt darüber sprechen zu müssen. Das macht das Vorankommen wirklich einfach. Am wichtigsten ist uns drei, dass wir mit dem Songwriting der anderen übereinstimmen. Katie ist eine unglaublich produktive Autorin – für dieses Album hat sie 40 oder 50 Songs geschrieben. Viele davon sind Strophen und Refrains, bei denen wir dann schauen, wie sie im Kontext der Band funktionieren können. Das kann durchaus zu radikalen Soundveränderungen führen, vor allem, wenn ein Song mit einer Akustikgitarre geschrieben wurde. Den Song No Idea hat Katie zum Beispiel ursprünglich akustisch geschrieben und Jo und ich haben ihn komplett verändert, damit er in unserer Klanglandschaft funktioniert.
Du meintest, dass du mit Ableton das Gefühl hast, ein Instrument zu spielen. Kannst du beschreiben, wie dir das bei dieser Verbindung hilft?
Es ist schon komisch: Ich bin mit vielen verschiedenen Instrumenten aufgewachsen und habe durchgehend Unterricht genommen. Ich habe lange Klavier und Gitarre gespielt, hatte dazu aber nicht die Art der spirituellen Verbindung, mit der ich wirklich gut hätte werden können. Als ich das Produzieren für mich entdeckt habe, wurde mir klar, dass das mein Platz ist. Obwohl ich auf der Bühne Gitarre und Keyboards spiele, habe ich das Gefühl, dass Ableton das Instrument ist, das ich am besten spiele, das mir am instinktivsten liegt und mit dem ich meine musikalischen Gedanken am einfachsten ausdrücken kann. Wenn ich Gitarrenparts schreiben muss, stresst mich das, aber mit Ableton fällt es mir so leicht, auf Idee zu kommen und die dann sofort zu umzusetzen. Für unseren Prozess als Band ist Ableton ziemlich wichtig.
Mit welcher Version arbeitest du gerade?
Ich bin direkt von 8 auf 10 gegangen und bin jetzt up to date und freue mich sehr drauf, was auch immer wir als nächstes machen, weil ich’s so spannend finde, im Loop aufnehmen zu können. Viel von dem, was wir auf dem dritten Album gemacht haben, fing mit Loops in der Clip-Ansicht an, und damit, dass wir Songs so strukturiert haben. Von meiner Seite aus baut alles auf sehr ambitionierten Programmieren mit dem Computer auf, deshalb liebe ich die Version 11 und freue mich sehr, dass ich damit bald an neuen Sachen arbeiten kann.
Du meintest, das Programmieren von Drums gehört zu deinen Stärken?
Ich habe riesige Drum-Racks mit einer gigantischen Soundauswahl, aber gleichzeitig neige ich dazu, immer mit denselben wenigen Sachen zu arbeiten. Das kommt auf den Song an, aber ich habe gern gut ausgestattete Sessions mit Sounds, auf die ich einfach zurückgreifen kann, zum Beispiel habe ich ein paar fertige Bass-Synths und Drum-Sounds, die mir das ‘herumspielen’ einfach machen. Die anderen aus der Band können bestätigen, wie meine Sessions aussehen – ziemlich wild.
MUNAs erkärt auf Song Exploder, wie der Song „What I Want” entstanden ist.
Wie ausgeformt ist ein Track, bevor die Vocals dazukommen, und wie stark beeinflusst das die Intonation eines Songs?
Ich arbeite oft mit skizziertem Gesang, nehme die Vocals aber sehr zu Katies Leidwesen oft raus, während ich produziere. Sie sagt dann oft: "Ich würde wirklich gern mein Songwriting hören" [lacht]. Das ist absolut fair, aber ich arrangiere gerne ohne den Gesang, weil ich das Gefühl habe, dass man sich ziemlich an den Klang einer skizzierten Stimme gewöhnen kann. Wenn Katie besonders temperamentvoll singt, gehen wir auf jeden Fall nochmal zurück und schaffen Raum dafür oder bauen drum herum, je nach Song.
Wenn ihr Ideen hin und her schickt, wie kriegt ihr das hin, dass alle die aktuellste Version eines Tracks haben?
Für die aktuellsten Versionen von Tracks schicken wir uns Notizen und Nachrichten, aber wer mit anderen Leuten Musik macht, weißt auch, dass man eine Art von Studio-Stenografie hat. Die Art und Weise, wie wir Musik machen, basiert auf gemeinsamen Einflüssen, weshalb wir auch oft ähnliche Gedankengänge haben, und wir sind uns ziemlich selten grundlegend uneinig über die Richtung eines Tracks. Wenn ich privat Beats mache, nutze ich die Clip-Ansicht von Ableton, spiele Sachen ein und arrangiere dann in der Session-Ansicht den Rest des Songs, sogar wenn ich zurückgehen und Dinge neu programmieren muss. Wenn wir zusammen kreativ sind, arbeiten wir mit der Clip-Ansicht, haben aber auch schon ein paar Songs gemacht, bei kreativer rangehen wollten, zum Beispiel, indem wir uns gegenseitig eine bestimmte Zeit gegeben haben, um Sachen aufzunehmen, einen Part zu schreiben oder etwas einzuprogrammieren.
Der Track Kind of Girl klingt sehr nach Country und könnte auch aus den 70ern sein. Ist das ein Beispiel dafür, wie hochwertig und nahtlos digitale Aufnahmen mittlerweile sind?
Total, und ich hatte das Gefühl, dass der genauso klingen konnte, wie wir ihn haben wollten, ohne dass wir unseren Prozess komplett hätten umstellen müssen – andernfalls hätte er vom Klang her auch nicht zu den anderen Tracks auf dem Album gepasst. Katie hat den Track auf der Akustikgitarre geschrieben und Jo und mir war sofort klar, dass wir die Intimität darin erhalten wollten. Ein paar von den Gitarren haben wir dann in den Studios unseres Verlags in Silver Lake, L.A., aufgenommen. Wir wussten aber, wenn das echte Audiomaterial reichhaltig und strukturiert klingt und wir gute Vocals bekommen, können wir alles andere in Ableton machen. Das Schlagzeug zu programmieren hat Spaß gemacht – viel davon baute auf gefundenen Sounds auf. Im Drumloop sind Garagentor-Kettengeräusche und andere bizarre Sachen, die dem Ganzen eine intimere Qualität verleihen. Wir haben auch jemanden gebeten, ein paar Streicher für Kind of Girl einzuspielen, und als wir die dann bekamen, war uns direkt klar, dass daran nichts mehr zu tun ist. Wenn man sich von einem Song leiten lässt, fühlt sich das nicht wie Arbeit an.
Warum habt ihr die Gitarren-Parts in einem separaten Studio aufgenommen, statt einfach direkt mit einem Interface in die DAW reinzugehen?
Ehrlich gesagt hatten wir einfach keine KM-184s, also haben wir uns welche in einem Studio ausgeliehen und dann gesagt, dass wir mal was anderes erleben und da aufnehmen wollen. Mittlerweile haben wir uns weiterentwickelt und haben jetzt unseren eigenen Ort und mehr Zugriff auf Mikrofone. Jo und ich haben auch ein gemeinsames Pedal-Board, das wir allem hinzufügen oder abziehen, was direkt von einem Vorverstärker aus in Ableton geht. Aber dann haben wir auch ein Bad in unserem kleinen Studio, in dem wir oft von einem nach Kemper modellierten Verstärker aufnehmen.
Hast du noch andere Hardware?
Ich hatte ein Jahrzehnt lang einen Prophet 6, von dem ich besessen bin. Der ist in jedem Song, weil es mit diesem Synth so einfach ist, Parts zu loopen und weil ich viele Patches da drauf habe, die ich für arpeggierte Bässe und coole Drum-Sounds benutzen kann. Für ein paar der inneren Sounds habe ich auch den Korg Nautilus verwendet, weil da ein Fake-Korg-M1-Sound drauf ist, den ich wollte. Ich bin gerade dabei, mehr coole Hardware zu besorgen und habe gerade eine Critterand Guitari Organelle bekommen. Mir ist zwar klar, dass ich damit ein bisschen spät dran bin, aber es ist ein Versuch, ein bisschen mehr vom Computer wegzukommen. Ich weiß nicht, ob ich jemals ein Mensch werde, der lieber Drum-Machines benutzt als das Drum-Rack von Ableton, hoffe aber jedenfalls, dass ich keiner von diesen völlig besessenen Equipment-Nerds werde!
Mehr zu MUNA gibt es auf ihrer Webseite, Instagram, Bandcamp und Facebook
Text und interview: Danny Turner
Übersetzung: Julia Pustet
Alle Fotos sind Eigentum der Künstler:innen